Fritz Wunderlich – Gustav Mahler – Achte Symphonie (2 CD)

CD-Cover

Vormittags „Das Lied von der Erde“ mit Karajan, abends „Die Achte“ mit Keilberth

Die Wiener Festwochen 1960 fanden vom 28. Mai bis zum 26. Juni statt. Fritz Wunderlich war am vorletzten Wochenende beteiligt, doch mit welch enormem Programm. Am 18. Juni um 16:00 Uhr sang er Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“, für einen lyrischen noch nicht 30-jährigen Tenor eine große stimmliche Herausforderung. Am nächsten Tag um 11:00 Uhr noch einmal den gleichen symphonischen Liederzyklus und um 19:30 Uhr die 8. Sinfonie von Gustav Mahler. Eine Herausforderung für jeden Solisten, da er gegen ein Orchester und drei Chöre ansingen muss, alle opulent besetzt. Bei der Uraufführung am 12. September 1910 sollen mehr als tausend Personen beteiligt gewesen sein, weshalb dieses Werk den Beinamen „Sinfonie der Tausend“ bekommen hat.

Gustav Mahlers größtes Werk besteht aus zwei Teilen. Der erste und kürzere Teil der Sinfonie betont den mittelalterlichen, lateinischen Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“. Der zweite Teil dauert mehr als doppelt so lange wie der erste und vertont die gegenüber dem Pfingsthymnus über tausend Jahre jüngere Schlussszene von Goethes Faust. Während der erste Teil an eine Motette erinnert, ist der zweite eine Mischform aus Musikdrama, Kantate und Oratorium.

Trotz dieser fast unmenschlichen stimmlichen Anforderung wurde Fritz Wunderlich im Wiener Kurier positiv erwähnt:

Die Aufführung war mustergültig geprobt und enthusiastisch geleitet: Keilberth, Spezialist für kompakte Klangentfaltung, gliederte klar, akzentuierte scharf, steigerte machtvoll. Beide Chöre, dazu die Sängerknaben und das Orchester waren in Hochform. Beste Kräfte vereinten sich im Solistenoktett: Melitta Muszely, Gerda Schreyer, Wilma Lipp, Hilde Rössel-Majdan, Ursula Boese, Fritz Wunderlich, Hermann Prey und Otto Edelmann. Drei Namen müssen dennoch herausgestellt werden: Prey als ekstatischer Schönsänger, Wunderlich seines tenoralen Metalls und seines Stils und die Sopranistin Muszely für ihr genaues, schlankes und leuchtendes Singen, das selbst in den höchsten Lagen von Mühelosigkeit und Vollkommenheit war. Stürmische Begeisterung.

Als dieser Artikel einen Tag nach der Aufführung erschien, sang Fritz Wunderlich in München schon wieder den Belmonte in Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“.

Noch eine Anmerkung. Bei der Uraufführung der 8. Sinfonie wurde Gustav Mahler von Otto Klemperer assistiert, einem der bekanntesten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. 54 Jahre später nahm Fritz Wunderlich Mahlers „Das Lied von er Erde“ unter der Leitung von Otto Klemperer auf. Diese Aufnahme gilt noch heute als unübertroffen.

(Arno Brijoux im Juni 2023)