Die Kuseler Zeit
„Fritzchen ist heute angekommen…“
Der Vater Paul Wunderlich wurde am 16. September 1892 in Mühlhausen (Thüringen) geboren. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Cellist in verschiedenen Tanzmusikkapellen.
Seine Frau Anna Malz, geboren am 11. Dezember 1888 in Köstelwald (Erzgebirge), lernte er als deutscher Kapellmeister auf Zypern kennen.
Am 21. Juni 1919 wurde in Landsberg an der Warthe (heute Polen) die Tochter Marianne geboren.
Im Jahre 1929 kam Kapellmeister Paul Wunderlich mit seiner Frau Anna und der elfjährigen Tochter Marianne nach Kusel.
Ihre neue Adresse hieß Trierer Straße Nr. 27.
Die Gastwirtschaft „Zum Preußischen Hof“ (später „Emrichs Bräustübl“) mit angegliedertem Central-Kino und einer Wohnung im oberen Stockwerk war ihr neues Zuhause.
Am 26. September 1930 hatte der Vater von Fritz Wunderlich am frühen Morgen ein Schild an die Tür seiner Gastwirtschaf t gehängt mit der Mitteilung:
Fritzchen ist heute angekommen
Wirtschaft geschlossen!
Die Gastwirtschaft gaben die Wunderlichs, von Schulden geplagt, bald wieder auf. 1933 zog die Familie in die Schwebelstraße. Vater Paul nahm sich 1935 das Leben, konnte den Umzug ins eigene Häuschen in der Hollerstraße nicht mehr erleben.
Schulzeit in Kusel
Die Kuseler Zeitung meldete am 5. März 1937:
„Kusel – In die 1. Klasse der Volksschule wurden 75 Kindern aufgenommen. Während im letzten Jahr noch die Knaben mit Zweidrittel der Gesamtzahl beteiligt waren, ist bei der diesjährigen Neuaufnahme das Verhältnis ungefähr gleich.“
Es waren Kinder der Geburtsjahrgänge 1930 und 1931, die ab Mai zum ersten Mal die Schulbank in der Luitpoldschule drücken sollten.
Im ersten Jahr wurde die Jungen von Lehrer Wilhelm unterrichtet. In der zweiten Klasse übernahm Fräulein Margret Hub, die auch die Mädchen unterrichtete, die „Männer-Klasse“. Sie war bei den Schülern sehr beliebt und hat sich auch neben dem Unterricht um die Kinder gekümmert.
Der Schulweg wurde selten alleine zurückgelegt. So gingen „Die Hinnergässer“ und „Die Hofackerer“ und auch die „Hollerer“ in Gruppen gemeinsam zur Luitpoldschule. Fritz gehörte immer noch – trotz des Umzuges an den Holler – zu den „Hinnergässern“. Er hatte ja bislang in der Schwebelstraße 13 in einem kleinen Mietshaus neben der Schlosserwerkstatt Kuhn gewohnt.
Im Jahre 1940, im dritten Schuljahr, bekam Wunderlichs Klasse dann die Lehrer Willi Wünsch und Fritz Weintz. Die Einbindung der Kinder ins politische System machte auch vor Kusel nicht Halt. Musik als Unterrichtsfach gab es damals in der Luitpoldschule nicht, aber Lehrer Wünsch leitete die sogenannte Singschar, koordiniert mit einem Fanfarenzug. Die Organisationen hatten quasi halbmilitärischen Charakter. Auch Fritz war mit von der Partie. Auch sang er mit in der Singschar. Die Proben fanden in der Luitpoldschule statt. So wurden Gastauftritte bei bunten Abenden in der Region vorbereitet. Es wurde geprobt, dann losmarschiert, vor Ort zuerst Quartier gemacht. Nach dem Auftritt folgte eine Übernachtung, dann wurde wieder nach Kusel heimmarschiert.
In der letzten Volksschulklasse die Fritz Wunderlich besuchte, unterrichtete der aus dem Ruhestand heraus reaktivierte Lehrer Gustav Henkel. Ein Pädagoge, welcher der Klasse recht viel abverlangte. Fast jeden Tag wurden Aufsätze oder Diktate geschrieben. Allerdings war die strenge und disziplinierte Arbeit unter ihm für diejenigen, die ab der 5. Klasse das Progymnasium besuchen sollten, eine hervorragende Vorbereitung.
Von den Mitschülern wird aus den vier Volksschuljahren ein herausragendes musikalisches Talent Wunderlichs noch nicht berichtet. Sicher war er musikalisch, hat auch bereits früh den Zugang zur Musik und Instrumenten gehabt, dies jedoch hatten andere Schüler ebenfalls. Bei Dekan Cassel, dem Religionslehrer, hatte er öfters vorsingen müssen, weil er so schön singen konnte. Mit Fritz hatte er bis zu seinem Tod eine freundschaftliche und kameradschaftlichen Beziehung.
Die Luitpoldschule mit ihren geräumigen Sälen, der Dampfheizung und dem Brausebad im Keller, war gut geeignet als Lager für die Soldaten. So wurde eines Tages auch das Klassenzimmer von Fritz Wunderlichs Klasse beschlagnahmt. Die Klasse wurde in die Räume der Töchterschule in der Landschaftstraße evakuiert.
Am 18. September 1941 trat Fritz Wunderlich in das Progymnasium ein, das in der Luitpoldstraße gegenüber der Evangelischen Kirche untergebracht war. Hier wurde erstmals auch das Unterrichtsfach Musik unterrichtet. Oberstudienrat Dr. Julius Gerlach, damals Lehrer am Gymnasium in Kusel und später Leiter, entnahm den Schulakten Berichte und Beurteilungen, die den Schüler Fritz Wunderlich betrafen. Aus dem Gutachten, das für den Übertritt von der Volksschule vorgelegt wurde, zitiert Wunderlichs Schwester Marianne, dass ihn die Beurteilung „als einen gutmütigen, kameradschaftlichen, sehr offenen, strebsamen Jungen“ schildere und seine „Gewandtheit und Einsatzbereitschaft im Sport und seine sehr gute Auffassungsgabe“ hervorhebe. „Neben seiner Phantasie und Sprachgewandtheit fiel schon damals seine besondere Neigung zur Musik auf“ (Marianne Decker: Fritz Wunderlich, Mein Bruder und ich. Fritz-Wunderlich-Sammlung der Fritz-Wunderlich-Gesellschaft e.V., Kusel).
Im Herbst 1944 wird der Unterricht wegen anhaltender Fliegerangriffe immer stärker gestört. Die Schule wurde deshalb geschlossen. Das gesamte Inventar wurde wegen Verlausung des Hauses – von der Landkarte bis zum letzten Heft – auf dem Schulhof verbrannt. Damit ging leider auch das Schularchiv verloren. Kurz vor und auch nach Kriegsende wurden vorübergehend ehemalige russische und polnische Kriegsgefangene in der Luitpoldschule untergebracht.
Als nach dem Krieg, im Herbst 1945, nach fast einjährigen Unterrichtsausfall der Unterricht in dem total veralteten Haus in der Luitpoldstraße wieder aufgenommen wurde, konnte aus Mangel an Lehrkräften nicht einmal die Hälfte der Fächer planmäßig erteilt werden. Mitschülern fiel öfters auf, daß Fritz montags ziemlich müde wirkte und sich im Unterricht abquälte. Der Grund dafür waren wohl die Auftritte übers Wochenende, die er mit Tanzkapellen auf Kerwen und Tanzveranstaltungen ableistete und die ihm und seiner Mutter zur Aufbesserung des schmalen Budgets halfen. Bei der damaligen Ernährungslage bedeutete das Opfern ganzer Nächte am Wochenende eine gesundheitliche Belastung. So wird in einem Zeugnis aus der Obersekunda eine längere Erkrankung des „ganz gut begabten“ Schülers attestiert.
Inzwischen war der Musikwissenschaftler Dr. Joseph Müller-Blattau nach Kusel gekommen. Er unterrichtete in der Klasse Wunderlichs Deutsch. Es sei ein phantastischer Untericht gewesen. Auch Chor und Schulorchester hat dieser Lehrer aufgebaut. Fritz Wunderlich hat hier im Chor mitgesungen.
Nach Abschluß der siebten Klasse, im Jahre 1948, verließ Wunderlich das Progymnasium und besuchte dann noch die Pädagogische Akademie in der Landschaftstraße, bis er 1950 nach Freiburg ging. Es war Professor Müller-Blattau, der Fritz Wunderlich einen Studienplatz an der Musikhochschule Freiburg im Breisgau vermittelte und ihm ein Gutachten mit auf dem Weg gab. Der Name Joseph Müller-Blattau hatte in der musikwissenschaftlichen Fachwelt Gewicht. Das Gutachten ist datiert vom 28. Februar 1950.
Auch Professor Emmerich Smola hatte Fritz Wunderlich im Herbst 1949 in Kusel bei den Proben der Rundfunksendung „Hausmusik bei Zelter“ kennengelernt. Das Manuskript zu dieser Sendung hatte Joseph Müller-Blattau geschrieben. Auch Smola gab dem jungen Wunderlich später den Rat, nach Freiburg zu fahren um dort Musik zu studieren.
Die Geschichte der Entdeckung seiner Stimme fällt in diese armen Nachkriegsjahre und ist bekannt. So endet im Sommer 1950 seine Zeit in Kusel.